Wissensvermittlung lohnt sich ab dem ersten Tag!

20. Oktober 2023 Anlässlich einer Mittagsveranstaltung für Unternehmerinnen und Unternehmer, wurde unsere Rektorin, Dr. Concetta Beneduce, zu einem Austausch zum Thema "Wissen über Wissen" eingeladen. Dabei räumt sie mit Begrifflichkeiten und Mythen rund um das Thema Wissen auf und diskutierte mit Sascha Herzog, Partner beim Badener Beratungsunternehmen Fraktalwerk gängige Denkfehler im Zeitalter von Chat GPT & Co.

Etwas «Wissen über Wissen» stand auf dem Menü einer neuen Mittagsveranstaltung für Unternehmerinnen und Unternehmer im Badener Kulturcafé. Serviert wurde einer Handvoll geladener Gäste ein sehr temperamentvoll geführter Schlagabtausch über Begrifflichkeit und Ökonomie des Wissens.

Gegen blinde Flecken
Massgeblich am hohen Tempo beteiligt war Concetta Beneduce - seit 2022 Rektorin der «ABBTS», wie die Höhere Fachschule für Technik, Informatik, Wirtschaft und Management im Badener Volksmund genannt wird. Die studierte Physikerin machte gleich zu Beginn klar, wie sie zu ihrem technisch-akademischen Wissensportfeuille kam: Durch Lesen. «Bereits als Kind verschlang ich ein Buch nach dem anderen und meine Eltern kamen nicht nach mit dem Beschaffen von neuer Literatur» erzählte die gebürtige Neapoletanerin. Dabei habe sie früh ein Gespür für Wissen und blinde Flecken entwickelt – eine Fähigkeit, die ihr später noch sehr zugutekommen sollte. In einem sehr männerdominierten Umfeld studierend und arbeitend sei die eigenständige Wissenserarbeitung ihr emanzipatorischer Erfolgsfaktor geworden. Hier hakte Sascha Herzog ein. Der Gründer des Beratungsunternehmens Fraktalwerk befasst sich gerade im Rahmen eines Leadership-Anlasses intensiv mit dem Thema Wissen. «Wissen ist die Grundlage für gute Entscheidungen, Kundennutzen und Wettbewerbsvorteile und darüber hinaus verfügbarer als je zuvor» führte er aus. Und trotzdem hätten jüngste Krisen gezeigt, dass sich exzellente Unternehmen und Führungspersonen nicht nur durch Wissen, sondern gerade durch ihren Umgang mit Unwissen auszeichnen. Diese «Unknown Unknowns» wie der ehemalige US-Verteidigungsminister Rumsfeld diese blinden Flecken treffend nannte, spielten in einer dynamischen und ungewissen Umwelt eine grosse Rolle im Managementprozess. «Das mag sein» gab Beneduce zu bedenken. «Doch klingt das viel schwieriger, als es tatsächlich ist.» Der Schlüssel liege für sie im sokratischen Grundsatz: «Ich weiss, dass ich nichts weiss». «Das Leben und insbesondere meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen tragen mir diese Unknowns zuverlässig zu. Ich stosse ständig auf Sachverhalte, die ich nicht verstehe oder die in manchen Fällen gar meinem Weltbild zuwiderlaufen.» Diese Momente seien aber ziemlich offensichtlich. Man müsse nur unserem natürlichen Hang zur gemütlichen Ignoranz widerstehen und einfach hinschauen, nachfragen am besten auch etwas darüber nachdenken. Beispielhaft führte sie die Begegnungen mit Ihrem Gegenüber Sascha Herzog aus: «Mir geht es jedes Mal so, wenn ich mich mit den jungen Leuten von Fraktalwerk austausche. Kürzlich habt ihr mich gebeten, einen Beitrag zum Thema Bildung und Vitalität zu verfassen. Fast hätte ich ehrlich gesagt abgelehnt, da sich mir spontan nicht eröffnete, was Bildung und Vitalität gemein haben. Über die Lektüre und Begriffsrecherche zum Thema und die Annäherung über die Aspekte Lebensfähigkeit und Anpassungsfähigkeit erkannte ich: Nichts ist der Vitalität zuträglicher als Bildung!»

Bereits war das Wort «Wissen» mehrfach gefallen und Sascha Herzog sah sich in einem Anflug der Wortästhetik veranlasst, auf die Bremse zu treten. «Befeuert durch die jüngsten Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der künstlichen Intelligenz, fühlt sich aktuell jeder berufen, über das Thema Wissen zu diskutieren. Wir tun das mit Vorliebe immer auch mit Blick auf seine dramatischen gesellschaftlichen Auswirkungen» warf der 35-jährige Unternehmer ein. Dabei täten wir gut daran, das Gespräch erst einmal von der technischen Potenz hin zu einer begrifflichen Trennung zu verlagern. Erst dadurch zeige sich, welcher Teil uns die Maschine gerade streitig macht und wo wir ihr noch eine Weile voraus sein werden.

Die Wissenstreppe
Die beiden Gesprächspartner brachten ihre Zuhörer über das Bild der Wissenstreppe (siehe Bild unten) auf Flughöhe. «Diese zeigt einleuchtend auf, dass Wissen als Zwischenerzeugnis in einem mehrstufigen Verarbeitungsprozess aufgefasst werden muss» begann Herzog. «Der Rohstoff, auf dem alles aufbaut, sind Daten. Diese werden durch Zufügen weiterer Elemente Stufe um Stufe veredelt» ergänzte Beneduce. «Egal, wie viele Messungen ich mache – die erhobenen Daten sind so lange wertlos, bis ich sie strukturiert (was bezeichnen sie?) und in einen Kontext (wozu dienen sie?) gestellt habe» gab die Schulleiterin zu Bedenken. Dann erst könne man von Wissen im eigentlichen Sinn sprechen. Es ist offensichtlich, dass eine Bildungseinrichtung wie die ABB Technikerschule ihre Studierenden bis auf diese Treppenstufe des «Wissens» begleiten kann. Es sei aber expliziter Anspruch ihrer Institution, darüber hinaus den Transfer in die Praxis mittels arbeitsplatzbezogener Projektezu fördern. «Ziel ist somit nicht die Vermittlung von Wissen, sondern von Know-How.» Dabei führt Concetta Beneduce gleich den schlechtesten Fall von Wissen aus: «Gelingt dieser Transfer in die Praxis nicht, ist alles Wissen wertlos und die Absolventen werden im Unternehmensalltag als unbrauchbare Theoretiker abgestempelt.» Diese Vorbehalte gegenüber Akademikern kennt Sascha Herzog aus seiner Beratungspraxis gut. Im Umgang mit sehr praktisch veranlagten Führungspersönlichkeiten sei es von entscheidender Bedeutung aufzuzeigen, dass man die Wissenstreppe von zwei Seiten begehen könne: Egal ob man von der strategisch-abstrakten Ebene heruntersteigt oder von der praktisch-operativen Ebene hinaufklettert. Das Wichtigste sei, dass sich Praktiker und Berater irgendwo in der Mitte treffen und einander in die Augen schauen können. «Wie schön ist in diesem Zusammenhang das Bild der Treppe?» fragte er lachend in die Runde. Ab wann lohnt sich Wissensaneignung? Eines mussten beide Seiten zugeben: Das Erlangen von Wissen ist anstrengend und ressourcenintensiv. Schnell entbrennt hier die Kosten- Nutzenfrage und die Diskussion, ob Unternehmen für die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden aufkommen sollen. Laut Herzog gehe man als Unternehmer von einer intuitiven Auffassung aus, nach der sich der hohe Initialaufwand nach einer bestimmten Zeit erst rechnet. «Wenn ein Mitglied in unserem kleinen Team eine Weiterbildung anstrebt, so will der Unternehmer in mir natürlich berechnen können, wann die Gewinnschwelle für das Unternehmen erreicht ist.» Der Mitarbeitende profitiere vom ersten Tag an, das Unternehmen erst später. Diese Diskussion hat Rektorin Concetta Beneduce bereits in alle Richtungen geführt. Entsprechend erfahren kontert sie: «Dein unternehmerischer Impuls, Sascha, ist verständlich aber ganz und gar zwecklos. Du wirst bei der Berechnung scheitern, da diverse unbekannte Variablen einfliessen.» Eines jedoch sei gewiss: «Von jungen Menschen, die sich weiterbilden wollen, geht ein Drive aus, eine Art Bewegung, die zeigt, dass sie bereit sind, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Wir tun gut daran, vom Formelblatt aufzublicken und diese Einstellung zu würdigen. Die positiven Effekte, die von diesen Menschen ausgehen, spürt dein Unternehmen ab dem ersten Tag!» Ihr bisher um keinen Konter verlegener Gesprächspratner würdigte dieses perfekte Schlusswort durch stilles Nicken. Auch die anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmer stimmten in die kurze Denkpause ein, um beim anschliessenden Mittagessen in umso angeregtere Diskussionen zu steigen.

Der Artikel erscheint 2024 im Magazin Netz Zukunft KMU zum Fokusthema «Wissen – Rohstoff des Wettbewerbvorteils» und kann vorab hier gelesen werden.

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